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Gedanken zur Zeitlage
In den letzten ‚Gedanken zur Zeitlage’ wurden vier Großereignisse der letzten beiden Jahre angesprochen, die uns alle noch
lange beschäftigen werden. Heute soll nochmals auf die Euro-Krise eingegangen werden, die noch nicht vorüber ist und deren
Ausmaß wir noch nicht kennen und die wirklichen Hintergründe auch nicht veröffentlicht werden. Vor einem Jahr bekam Griechenland
eine Finanzspritze von 110 Milliarden Euro für drei Jahre. Die finanzielle Lage Griechenlands ist heute noch dramatischer
als gedacht, wie jetzt die europäische Statistikbehörde mitteilte. Ende 2010 bekam Irland 85 Milliarden aus dem Rettungsschirm
und nun Portugal Kredite in Höhe von 80 Milliarden Euro. An den Zahlungen der Euro-Länder ist Deutschland immer mit
27 Prozent beteiligt – Steuergelder also, mit denen die Interessen deutscher Banken in Griechenland, Irland und nun Portugal
abgesichert werden. Diese Länder werden auch in den nächsten Jahren nach dem Auslaufen der Hilfsprogramme mit nicht
mehr zu tragenden Staatsschulden dastehen. Welches das nächste Land sein wird? Spanien, oder Belgien, das seit Monaten
keine handlungsfähige Regierung mehr hat und nach Griechenland und Italien den drittgrößten Schuldenstand der Euroländer
aufweist. Es müsste jetzt umgeschuldet werden. Die Banken, Versicherungen Investmentfonds, die jahrelang in diesen Ländern
glänzend verdient haben, müssten auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, statt den Steuerzahlern Schulden aufzuladen,
die von den Nationalstaaten übernommen wurden. Eine Umschuldung wäre das Mindeste.
Die Regierungen Schröder und Merkel haben zur „Förderung des Finanzplatzes Deutschland“ Spekulanten eingeladen, sich in
Deutschland tummeln. Diese extremen Spekulationen waren vorher in Deutschland nicht möglich. Und die deutschen Banken
selbst stiegen in die spekulativen Geschäfte ein. Die Finanzmärkte wurden dereguliert, es konnte ohne Rücksicht auf die Risi3
ken spekuliert werden. Die Folgen sind uns allen allzu bekannt. Den Schaden tragen wir Bürger als Steuerzahler mit dem Rettungsschirm
von 480 Milliarden Euro. Die echte Belastung aus dem Bankenrettungsschirm hatte nach einer Mitteilung der Bundesbank
schon zu Beginn des Jahres 2010 die Hundertmilliardengrenze erreicht. Die Last dieser immensen Verschuldung werden
wir, aber mehr noch unsere Kinder und Enkel tragen müssen, lange nach dem die jetzt Verantwortlichen abgetreten sind.
Vor diesem Hintergrund muss man auch den Rücktritt von Bundesbankchef Axel Weber sehen, der zwar fast lautlos über die
Bühne ging, aber doch eine große Bedeutung hat, die wir möglicherweise überhaupt nicht kennen. Vor einem Jahr noch wurde
er als Nachfolger des EZB-Präsidenten Trichet von der Bundesregierung gehandelt. Jetzt ist er auch noch vor Auslaufen seiner
Amtszeit abgetreten, mit ihm Jochen Sanio, der Chef der Bundesanstalt Finanzdienstleistung (BaFin). Beide waren der Bundesregierung
nicht besonders bequem. Weber hatte sich öffentlich gegen den Aufkauf von Staatsanleihen durch die Europäische
Zentralbank (EZB) ausgesprochen. Als klar wurde, dass er damit die Rückendeckung der Bundeskanzlerin verloren hatte, zog
er Konsequenzen und trat zurück. Wenn nun in der Öffentlichkeit in einigen Medien dieser Mann als widerspenstig hingestellt
wurde, dann ist es ein geschicktes Ablenkungsmanöver; in Wahrheit hat sich Weber nur an Recht und Gesetz gehalten, während
die Bundesregierung genau das nicht tut. Sowohl die Deutsche Bundesbank als auch die EZB sind unabhängig und nicht
weisungsgebunden. Neuer Chef der Bundesbank wird der wirtschaftspolitische Berater der Bundeskanzlerin. Der oben beschriebenen
Unabhängigkeit der Institution Bundesbank kann man vor diesem Hintergrund doch sehr skeptisch gegenüberstehen.
- Auch der Rückzug von Sanio ist kein Zufall. Hat er doch in der letzten Zeit immer wieder beklagt, dass jede Finanzmarktregulierung
nur noch Staffage sei, die Banken machten sowieso, was sie wollten. Denn die „Rettungsgelder“ für den Euro, für
Griechenland und all die anderen gefährdeten Länder sind in Wahrheit nichts anderes als Rettungsgelder für den Bankensektor.
Die Banken werden auf unsere Kosten herausgepaukt – wobei dies das schmerzliche Ende nur herauszögert, nicht aber verhindern
wird. Denn wenn der Euro auseinander fliegt, dann ist die derzeitige Regierung wahrscheinlich nicht mehr im Amt.
Ein zweiter aktueller Konflikt soll hier ebenfalls angesprochen werden. Wir haben im Zusammenhang mit dem militärischen
Konflikt in Libyen wahrgenommen, dass von libyscher Seite gegen eigene Landsleute Streubomben eingesetzt wurden.
Diese stammten aus spanischer Produktion. Ebenfalls wurden jüngst solche im Grenzkonflikt zwischen Thailand und Kambodscha
eingesetzt. Die internationale Konvention zum Verbot von Streubomben ist am 1. August 2010 in Kraft getreten. 2008
war diese von 104 Staaten angenommen worden. Im Jahr 2008 besaßen immerhin 80 Staaten derartige Waffen. In wieweit sie
heute vernichtet sind, ist schwer einzuschätzen. Die Konvention konnte aber erst in Kraft treten, nachdem 30 Staaten diese
ratifiziert hatten. Bisher wurde das Abkommen durch 50 Staaten ratifiziert sowie durch 57 weitere Staaten unterschrieben. Diese
Konvention schreibt den Verzicht auf Gebrauch, Herstellung, Lagerung und Transport vor. Ebenfalls verbietet sie jedwede
direkte oder indirekte Unterstützung solcher Waffen. Deutschland hat den Vertrag ratifiziert. Allerdings lagert noch solche Munition
auf deutschem Boden. - Nicht beigetreten sind u. a. die USA, Russland, China, Israel, Indien Pakistan, Brasilien.
Nach wie vor gibt es aber große Hersteller von Streumunition, von denen vier in den USA beheimatet sind, zwei in Südkorea
und eine in Singapur. Von einer dieser amerikanischen Firmen bezieht die Bundesregierung die Nacktscanner auf dem Flughafen
in Hamburg. Nochmals: die Bundesregierung hat dieses Abkommen ratifiziert; makaber ist nun, dass deutsche Banken in
Unternehmen investieren, die Streumunition herstellen. Alles wegen der Rendite? Auf Nachfrage bei der Bundesregierung wurde
die Auskunft erteilt, dass dies durch die Konvention nicht verboten sei. Noch problematischer wird es allerdings, wenn Anbieter
von Riester-Altersversorgungsverträgen in solche Unternehmen investieren, um hohe Renditen zu erwirtschaften, um dann
den Kunden „lukrative“ Altersversorgungsbeiträge zu garantieren. Die Leidtragenden von Streubomben sind in der Regel Zivilisten
und Kinder. Daraus kann man schließen, dass eine gute Altersversorgung aus solchen Verträgen auf Kosten des Lebens
und der Gesundheit von Streubombenopfern erzielt wird. Finanztest hat 174 Banken, Versicherungen, Fondsgesellschaften und
Bausparkassen befragt. Nur 12 schließen Streubombeninvestments aus. Dabei sind über 1,5 Milliarden Euro von deutschen
Banken und Versicherung in diesen Unternehmen investiert. In der Finanzwelt ist das Thema Ethik offenbar Nebensache. Ein
Großteil der befragten Banken, Fondsgesellschaften und Versicherungen antworteten gar nicht oder nur nebulös. Einige behaupteten
zwar, dass sie keine Aktien oder Anleihen von Streubombenproduzenten kaufen, konnten dies aber nicht belegen.
Drei Viertel von Riesterkunden haben sich der Umfrage zufolge für den sofortigen Verkauf der entsprechenden Papiere ausgesprochen,
sollten ihre Riesterverträge bei einem solchen Versicherer angelegt sein. Daraus folgt auch, dass der Staat durch die
Riesterrente indirekt die Produktion von Streubomben unterstützt. Die wenigsten Bürger wissen, wo die Banken ihre Gelder
anlegen. Wir sollten als Bürger genauer hinterfragen, was mit unserem Geld geschieht und wo es angelegt wird und im Ernstfall
durch Kündigung der Verträge Konsequenzen ziehen, auch wenn dann für uns weniger Rendite herausspringt. Nur auf diesem
Weg kann es langsam gelingen, Transparenz zu erzielen und die Banken und Versicherer zu verantwortungsbewusstem Handeln
zu zwingen. Es gibt eine Reihe von Banken und Versicherungen, die in ihren Richtlinien und Satzungen solche Investitionen
ausschließen und nur in nachhaltige Projekte investieren. Udo Daecke