Zur heutigen Musikkultur

 

Einige, auch anthroposophische, Anmerkungen zur Unterhaltungsmusik (U-Musik),
 insbesondere zu Rock und Pop, im Gegensatz zur klassischen ernsthaften Musik
(E-Musik)

 

Es ist festzustellen, dass in der Rock-, Pop- und Technomusik, wie auch in den zahlreichen
Spielarten des ‚House’ gegenwärtig eine Zurückdrängung der Melodik zugunsten eines
zuweilen geradezu maschinellen Rhythmuserlebens stattfindet. Gerade beim Maschinensound
 sind gegenwärtig geradezu ‚Schwellenübertritte’ in untersinnliche Bereiche zu verzeichnen.
Es stellt sich die Frage, welche Kulturphänomene förderten die Kreation einer kommerziell
überaus erfolgreichen U-Musik in der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit?

Der Jugendprotest der 60er und 70er-Jahre und die Auflehnung gegen eine elitäre
Klassikrezeption sowie die psychedelische und die Hippie-Bewegung lassen die populäre
Ausformung der verschiedenen Spielarten des Rock und Pop zu einer Musik für Jedermann
 in gewissem Grade als verständlich erscheinen (vgl. http://www.chmoellmann.de/die_
Bucher/Franz_Halberschmidt/halber.pdf).

 

In den sechziger Jahren ließen sich zwei große entstehende Rock- und Popanhängerschaften
genau unterscheiden. Da waren zum einen die auch melodischen Beatles (Vgl. H. Rosalk:
The Beatles – Zwischen Himmel und Hölle, Genius Vlg., Mariensee 1997) und zum anderen
die ‚härteren’ Rolling Stones, welche sich ausschließlich der Protestkultur, mit ihren fragwürdigen
 Formen verpflichtet fühlten und die z.T. implizit zum Gebrauch härterer Drogen aufforderten,
 neben gewissen Anklängen zum Satanismus (vgl. ‚Sympathy for the devil’, ‚Brown sugar’ usw.).

 

Vor allem bei den Beatles finden sich noch Pophymnen wie ‘Yesterday’, ‘Hey Jude’ und ‚Let it be’,
 die auch aus Sicht des Klassikliebhabers durchaus kulturveredelnd wirkten. Eine Tradition und
Aufgabe, die nach dem auseinanderbrechen der Band 1970 vor allem durch Paul Mc Cartney
weitergeführt wurde. Doch auch Musiker wie Eric Clapton sind auf dieser Seite des Mainstreams
zu finden.

 

Die starke Betonung der Protestkultur und eine nachgerade sorgfältig geplante Ausformung
zum Satanismus in der Rockmusik (siehe hierzu auch das Stichwort: ‚Backward masking’) ließ
sich in der Nachfolge der Rolling Stones insbesondere bei Hardrockbands wie Led Zeppelin,
 AC/DC, Kiss bis hin zu einer androgynen Satanismusrezeption eines Marilyn Manson feststellen.

 

Spätere internationale Popikonen wie Michael Jackson und Madonna standen immer zwischen
den Extremen.

 

Auch im deutschsprachigen Raum lavierte der Deutschrock eines Udo Lindenberg
zunächst zwischen den genannten Extremen. Spätere Balladenkünstler wie Herbert Grönemeyer
 und zahlreiche deutschsprachige Liedermacher, wie Konstantin Wecker,
Reinhard May, Franz-Josef Degenhardt und Georg Danzer sowie die lyrischen Songkreationen
eines Andre Heller und einer Erika Pluhar wandten sich wieder einer sehr ambitionierten
Musikkultur zu, die auch für E-Musikliebhaber im Prinzip akzeptabel war,
bevor durch die Neue Deutsche Welle, z.B. mit ‚Ideal’ eher wieder eine ausgesprochene
Spaßkultur die Oberhand gewann.

 

Aus anthroposophischer Sicht lässt sich mithin von einem Auf und Ab zwischen eher
melodischen Formen und ausgesprochenen Rhythmusmaschinen (so auch bei der heutigen
 Anthroposophin Penny McLean, damals erfolgreich z.B. mit ‚Lady Bump’) im Rock, Pop
und Folk sprechen, die eine differenzierte Betrachtung des Einflusses der Widersachermächte
 auf die jeweils ins Auge gefasste Spielart heutiger U-musik erforderlich machen. Populäre
Liedermacher gab es auch schon in altvergangener Zeit (so z.B. Walther von der Vogelweide,
 in der heutigen Zeit z.B. mit ‚Wol mich der Stunde’ wieder adaptiert von der zeitweise sehr
erfolgreichen Folkrockband ‚Ougenweide’), ohne dass dies eine Unterscheidung in bloß
unterhaltende U-Musik und in ernsthafte E-Musik erforderlich gemacht hätte.

 

Auch in der kulturell akzeptierten Klassik gab es z.B. zur Zeit des italienischen Barock und
auch noch zur Zeit Mozarts eine Fülle bloß unterhaltender Divertimenti, ohne dass deshalb
ein grundsätzlicher Gegensatz zwischen E- und U-Musik aufbrach.

 

Später wurden seitens der modernen Klassik Grenzen von rein melodischen hin zu stark
 rhythmisch betonten Arrangements überschritten, so z.B. bei Maurice Ravel (‚Bolero’),
Bela Bartok und Igor Strawinsky. Dennoch wurden diese eigenartig grenzgängerischen
Kompositionen ohne weiteres in den Kanon der heutigen Klassik aufgenommen

 

Dies will heißen: Auch die heutige Rock- und Popmusik muss daraufhin von einem zunächst
neutralen Standpunkt aus betrachtet werden, ob sie eher kulturförderlich oder kulturzersetzend
wirkt. Dass dies bei der Vielfalt der heutigen U-Musikstile nicht gerade einfach ist, versteht
sich von selbst. Die Gegenwart erfordert im Zeichen der Bewusstseinsseele eben einen
besonders wachen Geist, der in dem symptomatischen der heutigen Kulturbewegungen
zu lesen weiß.

 

(Michael Heinen-Anders)

 

 

 

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