Zur Stellungnahme „Vernehmlassung zur organisierten Suizidhilfe“ der Forums für Sterbekultur

 

            Die Stellungnahme (www.sterben.ch) enthält Wesentliches über die Bedeutung des Erdenlebens,
 stellt aber den Kern des Problems nicht klar heraus: Bei diesem geht es zentral darum, ob
 irgendwelchen Organisationen oder Personen die aktive Beihilfe zum Suizid (also Selbstmord)
erlaubt wird, indem Sie dem Sterbewilligen Mittel dazu (also tödliche Gifte) reichen oder spritzen
 dürfen    oder ob das verboten wird. Darüber soll der Schweizer Bundesrat entscheiden, was sich
sicher auch auf Deutschland auswirken wird. Alles andere (z.B. Auflagen  bei Erlaubnis) ist
veränderliches Beiwerk, das den Dammbruch, der durch die Erlaubnis eingeleitet würde,  nicht
aufhalten kann.

            Die Stellungnahme befürwortet die Erlaubnis und führt als Grund die große Bedeutung von
Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen in der Anthroposophie an. Sie verschweigt aber,
 dass wahrhaftes Handeln in Freiheit im Sinne der Anthroposophie untrennbar mit Erkenntnis
verbunden ist. Nur wer weiß, was mit ihm nach dem Suizid geschieht, kann also frei über ihn
 entscheiden, und das sind die allerwenigsten. Vielmehr werden viele glauben, dass sie mit
dem Selbstmord ihr Sein völlig auslöschen. Das hat aber nach Resultaten der Geistesforschung
 schlimme Schmerzen und lange Qualen für den Selbstmörder zur Folge, weil er sich mit seinem
physischen Leib identifizierte und nur schwer von ihm getrennt werden kann. (siehe z.B. E. Bäzner
 „Wo sind unsere Toten? Sehen wir sie wieder?“ München+Engelberg 1982, S. 77f). 
Wer will das mitverantworten? Andererseits kann niemand verlangen, dass eine Einführung in
 Anthroposophie zu den „Auflagen“ der Suizidhilfe gehören soll. 

            Als es 1991 um die Abtreibungsfrage ging, haben anthroposophische Persönlichkeiten
 
und Institutionen einerseits ausführlich über Wert des ungeborenen Lebens und seinen Schutz
gesprochen, schließlich aber doch, diesmal wegen der Bedeutung von Freiheit und
 Selbstbestimmungsrecht der Frauen, für die Fristenlösung (mit Auflagen) plädiert. Inzwischen gibt
 es allein in Deutschland jährlich über hunderttausend Abtreibungen. Es gibt Abtreibungskliniken und
Frauen werden bedrängt, ihre Schwangerschaft abzubrechen, weil es nun zulässig ist. Abtreibung
ist schon zu einer Art von Routine geworden, über die kaum noch diskutierten wird. Hat man
das beabsichtigt? Hat man das vorausgesehen? Die Erleichterung von Abtreibung hat keineswegs
 zu ihrem Rückgang „aus Verantwortung“ geführt, vielmehr wurden vorher viele Frauen vom
Schwangerschaftsabbruch wegen der damit verbunden Schwierigkeiten abgehalten.

            Man muss daher befürchten, dass bei Erlaubnis zur aktiven Sterbehilfe auch
 Suizidhilfe-Organisationen emporschießen werden, die selbstverständlich auch nicht umsonst
arbeiten können. Man muss befürchten, dass viele diese Institutionen deshalb „nützen“, weil sie
den Selbstmord erleichtern. Vor anderen Methoden dazu wären diese Menschen zurückgescheut.
 Man muss auch befürchten, dass alte Menschen z.B. von ihren Pflegern oder Erben
heimlich bedrängt werden, solche Institutionen aufzusuchen. Das Argument, dass es jetzt schon
gesetzlich ungeregelte Suizidhilfe (und zugehörigen Tourismus) gibt, die bei einem Verbot in die
 Illegalität abwandern, gilt doch analog für alle Verbote, also z.B. auch für den Kindsmissbrauch..

            Anthroposophen sollten vielmehr respektieren, dass die Entscheidung über Geburt und
Tod der heutigen Menschheit nicht gegeben ist, da die Entwicklung der  Freiheit an unser
 Erdenleben gebunden ist. Der Dammbruch für den Lebensbeginn ist mit der Fristenregelung
bereits geschehen. Man sollte ihn rückgängig machen, anstatt einen neuen für das Lebensende
 herbeizuführen.            

Hermann Bauer