Als Beispiele seien hier zwei dieser okkulten Gesetze beschrieben, an die sich der Geistesforscher notgedrungen halten muß, will er einen Tatbestand erforschen.

Das erste dieser beiden Gesetze beschreibt Rudolf Steiner wie nebenbei innerhalb einer der Vorträge über die sogenannte „achte Sphäre“ (1) in wenigen Sätzen:

„... man hat es ja mit Okkultismus zu tun, und Okkultismus bedeutet, dass zum Erfassen seiner Wahrheiten eine größere Kraft notwendig ist als zum Erfassen der gewöhnlichen Wahrheiten des physischen Planes. Daher ist aber auch eine größere Kraft der Täuschung vorhanden, die zu durchschauen ist. ... Das ist nicht leicht zu durchschauen, weil eine größere Gegenkraft notwendig ist, die man anwenden muß, um die Täuschung zu durchschauen.“ (2)

Wir können erahnen, in welcher Verantwortung sich der Geistesforscher befindet, der etwas von ihm Erforschtes anderen mitteilt oder auch nicht mitteilt. Falls ein Irrtum vorliegt, erschwert er demjenigen, der dasselbe Phänomen erforschen möchte, den Zugang zur Wahrheit dieses Phänomens. Man muß auch damit rechnen, dass ganz bewusst solcher Irrtümer in die Welt gestreut werden, um Wahrheiten zu verschleiern.

Das zweite okkulte Gesetz, das uns hier interessieren soll, findet sich im Werke Rudolf Steiners sozusagen an entlegener Stelle, und zwar als Zitat Rudolf Steiners in den „Vorbemerkungen des Herausgebers“ zum Teil III „Das Verhältnis von Bewegung, Esoterischer Schule und Gesellschaft“ in dem Band „Zur Geschichte und den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904-1914“. Die Herausgabe des Bandes besorgte Hella Wiesberger, die auch Verfasserin der „Vorbemerkungen“ ist. Rudolf Steiner entwickelt in diesem Zitat das „Gesetz der spirituellen Brüderlichkeit“, welches, wie unschwer erkannt werden kann, von außerordentlichem Gewicht ist. Wir lesen:

„... es gibt in der geistigen Welt ein ganz bestimmtes Gesetz, dessen ganze Bedeutung wir uns durch ein Beispiel klarmachen wollen. Nehmen Sie einmal an, in irgendeinem Jahr hätte ein beliebiger, regelrecht geschulter Hellseher dies oder jenes in der geistigen Welt wahrgenommen. Nun stellen Sie sich vor, dass zehn oder zwanzig Jahre später ein anderer ebenso geschulter Hellseher dieselbe Sache wahrnehmen würde, auch dann, wenn er von den Resultaten des ersten Hellsehers gar nichts erfahren hätte. Wenn Sie das glauben würden, wären Sie in einem großen Irrtum, denn in Wahrheit kann eine Tatsache der geistigen Welt, die einmal von einem Hellseher oder einer okkulten Schule gefunden worden ist, nicht zum zweiten Mal erforscht werden, wenn der, welcher sie erforschen will, nicht zuerst die Mitteilung erhalten hat, dass sie bereits erforscht ist. Wenn also ein Hellseher im Jahre 1900 eine Tatsache erforscht hat, und ein anderer im Jahre 1950 so weit ist, um dieselbe wahrnehmen zu können, so kann er das erst, wenn er zuvor gelernt und erfahren hat, dass einer sie schon gefunden und erforscht hat. Es können also selbst schon bekannte Tatsachen in der geistigen Welt nur geschaut werden, wenn man sich entschließt, sie auf gewöhnlichem Weg mitgeteilt zu erhalten und sie kennen zu lernen. Das ist das Gesetz, das in der geistigen Welt für alle Zeiten hindurch die universelle Brüderlichkeit begründet.“ (3)

Das Gesetz der spirituellen Brüderlichkeit verdeutlicht uns, dass es für den Geistesforscher auch noch heute notwendig sein kann, sich mit den Werken z.B. der Blavatsky auseinanderzusetzen, auch wenn man mit vielem, was in der „Geheimlehre“ zu lesen ist, nicht einverstanden sein kann. Gerade wenn man heute die frühen Vorträge Steiners studiert, muß man vor Augen haben, dass dessen Zuhörer als damalige Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft in die „Geheimlehre“ (4), aber auch in die „Entschleierte Isis“ (5), dem ersten Werk der Blavatsky, eingearbeitet gewesen sind und dass Steiner darauf aufbaute, wie auch nachweislich auf das Werk „Das transzendentale Weltenall“ von C.G. Harrison. (6) Auf diese Werke kann man hinweisen, nicht allerdings ohne davor zu warnen, dass deren Inhalte stets im Einzelnen überprüft werden müssen. Rudolf Steiner hat in verschiedenen Vorträgen auch auf Fehler, die diese Werke enthalten, hingewiesen. (7)

Diese beiden hier beschriebenen Gesetze stellen unter anderem gerade auch an forscherisch tätige Anthroposophen und Anthroposophinnen hohe Anforderungen. Es wird eine Art, so muß man wohl sagen, geistiger Treue gefordert, die dem Einzelnen zwar eine gewisse schwierige Seite forscherischer Tätigkeit vor Augen führt, auf der anderen Seite ihn jedoch gerade auch vor Abwegen schützen soll, auf die zu geraten man niemandem wünschen kann. Es wird ebenso eine sehr intensive Art von Zusammenarbeit verlangt, das Zurückstellen persönlicher Animositäten und so weiter gefordert, die eine Bedingung gemeinschaftlichen spirituellen Wirkens ist, gleich welcher soziale Rang ihm beispielsweise innerhalb eines Gesellschaftsorganismus zukommt oder auch welche sonstige Stellung er im öffentlichen Leben aufgrund seines Schicksals einnimmt.

Anmerkungen:

(1) siehe hierzu: Arfst Wagner: das Geheimnis der achten Sphäre. In: Flensburger Hefte Nr. 61: „Die Hintergründe von 666. Flensburg 1998.

(2) Rudolf Steiner: Die okkulte Bewegung im 19. Jahrhundert. GA 254. Dornach 1969. Vortrag vom 17.10.1915. S.74f.

(3) In: Rudolf Steiner: Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen schule 1904-1914. GA 264. Dornach 1984. S.351.

(4) H.P. Blavatsky: Die Geheimlehre. 4 Bände und ein Indexband. Den Haag o. J.

(5) H. P. Blavatsky: Isis entschleiert. 2 Bände. Den Haag o. J.

(6) C. G. Harrison: Das transcendentale Weltenall. 6 Vorträge über Geheimwissen, Theosophie und katholischen Glauben. O.O. 1897. Neuauflage erhältlich bei Verlag Engel&Co.; Alexanderstr. 11; D-70184 Stuttgart.

(7) siehe z. B.: Rudolf Steiner: Die okkulte Bewegung… (s.o.). 4. Vortrag v. 17.10.1915.